China wird das neue Silicon Valley

1. Riesiger Heimatmarkt gepaart mit Offenheit und Neugier 

Der riesige und fortschrittswillige Markt eröffnet lokalen Start-Ups einen perfekten Startpunkt. Mehr als 850 Millionen Menschen nutzen das Internet innerhalb eines Sprachraumes. Über 160 Städte (!!!) mit mehr als 1 Mio. Einwohnern bieten die Möglichkeit neue Geschäftsmodelle lokal zu testen und schrittweise auf die 1,3 Mrd. Einwohner zu skalieren.

Seit der wirtschaftlichen Öffnung vor gerade einmal 40 Jahren hat sich das Leben der Chinesen permanent verändert. Allein das durchschnittliche Jahreseinkommen stieg von 200 USD in 1980 auf 8.000 USD in 2020 – Faktor 40 (Vergleich Deutschland: Faktor 4). In diesem Zeitraum hat sich das Leben verändert und stetig verbessert, weshalb die Chinesen offen und neugierig für Neues sind. Chinesen sind auch im Vergleich zu uns eher bereit einen Teil der Privatsphäre gegen Komfort einzutauschen. Dies wird beispielsweise beim Thema Gesichtserkennung deutlich: Bezahlfunktion oder Zugang zu Räumen per Gesichtserkennung wird ohne Vorbehalte angenommen.

Das chinesische Wertesystem besagt, dass das Gemeinwohl über dem Schicksal einzelner steht. Dies wird voraussichtlich dazu führen, dass das autonome Fahren in China schneller akzeptiert wird, da – sobald wissenschaftlich belegt – in Summe deutlich weniger Menschen im Straßenverkehr sterben.

Laut einer Studie der Boston Consulting Gruppe wachsen chinesische Start-Ups schneller als in den USA, trotz dem Innovationszentrum Silicon Valley. Ein Einhorn in den USA benötigt im Schnitt 7 Jahre um sich zu einer Bewertung von 1 Milliarde US-Dollar zu entwickeln, während in China nur 4 Jahre benötigt werden.  

Exkurs: Wir groß und dynamisch ist China
Größter Automarkt der Welt
  • 2000: 2 Mio. Neuzulassungen
  • Heute: 25 Millionen (USA 17 Mio.)
Größter Internetmarkt der Welt
  • 1998: 25 Mio. Internetbenutzer
  • Heute: 800 Mio. (knapp 3h täglich online, davon 90% mobil)
Tourismus
  • 2000: 10 Mio. Chinesen verreisen
  • heute: über 110 Mio.
Stadtentwicklung
  • 1978: 30T Einwohner in Shenzhen
  • Heute: 15 Mio.

 

2. Zeitalter der Daten

Als 1998 Google im Silicon Valley gegründet wurde hatten nur 0,2% aller Chinesen einen Internetzugang. Heute ist China der größter Internet-, E-Commerce und Mobile-Web-Markt der Welt. Gerade handybasierte Internetnutzer hinterlassen viele Daten, die der Treibstoff für die Digitalisierung und deren Algorithmen sind. In China werden derzeit ca. 800 Millionen Smartphones genutzt. Über Websites, Apps und die mobile Zahlfunktion sammelt beispielsweise Alibaba Daten von einer halbe Milliarde aktive Nutzer zum Einkaufsverhalten, Medienkonsum sowie Zahlungsverhalten. Im Unterschied zu Konkurrent Amazon verfügt Jack Ma’s Alibaba deshalb über ein viel klareres und vielschichtigeres Bild seiner Kunden.

Exkurs: Warum in China mehr als 500 Millionen Menschen täglich mobil mit dem Smartphone bezahlen
  • Mobiles Zahlen ist seit 2015 per App und in Kombination mit einem QR-Code möglich
  • Bereits in 2017 waren 65% aller Smartphones für die Zahlungsfunktion freigeschaltet
  • Aktuell gibt es in China mit WePay und Alipay zwei Wettbewerber, die sich den Markt teilen
  • Kostenlose Lösung für Händler: keine Gebühren im Vergleich zu Kreditkarten (2-3% Gebühren)
  • Es gibt keinen Mindestwert, wie beispielsweise bei Kreditkarten (Mindestwert von 10 EUR)
  • Händler haben keine Investition in Infrastruktur: es muss nur ein QR-Code ausgedruckt werden, das Smartphone der Kunden übernimmt die Funktion der Überweisung

Bei der Nutzung der Daten ist China in einem von drei Bereichen bereits führend:

  • Business-KI: Bei der Business-KI ist der Westen weiterhin führend, weil die Optimierung von Fabriken und deren Prozesse immer schon ein wichtiges Thema war.
  • Wahrnehmungs-KI: Bei der Wahrnehmungs/Perception-KI ist China aufgrund der Vielzahl an Sensoren (Kameras, Smartphones) an der Spitze. Das chinesische Gesichtserkennungs-Star-Up Face++ beispielsweise hat bereits 2017 Wettbewerbe gegen Teams von Microsoft, Google und Facebook gewonnen. Aktuell laufen Pilotprojekte mit speziellen Brillen für Polizisten, um gesuchte Personen zu identifizieren.
  • Autonome-KI: Bei der Autonomen-KI mit selbstfahrenden Autos ist der Westen, das Silicon Valley und hier Google in der Führungsposition. Alleine Google beschäftigt ca. 50% der besten KI-Forscher weltweit und sichert sich damit im Entwicklungsbereich die klar führende Position. 

In China werden täglich eine unglaubliche Zahl an Daten über Konsum- und Transportgewohnheiten der Menschen gesammelt:

Wenn es also um die Anwendung von Daten geht, ist China bereits heute führend aufgrund der unglaublich riesige Datenmengen, die in China täglich erhoben wird. Diese sind wiederum der Treibstoff der Algorithmen.   

 

3. Stattliche Förderung und Infrastruktur

Die Digitalisierung beschleunigt den Aufstieg Chinas. Deshalb setzt die Regierung alle Hebel in Bewegung bei Digitalisierung und künstlicher Intelligenz (KI) eine führende Position einzunehmen. Bis 2030 plant China umgerechnet 150 Milliarden USD in KI zu investieren. Dagegen stehen 3 Milliarden EUR, die Deutschland bis 2025 investieren möchte.

Staatliche Förderungen kann funktionieren, wie man am Beispiel der Hochgeschwindigkeits-Zugstrecken sieht: in 2007 gab es noch keine Streckenverbindung, in 2017 bereits über 50% des weltweiten Hochgeschwindigkeitsnetzes!

Ein wichtiger Treiber von digitalen Geschäftsmodellen ist der 5G Standard. Bereits 2023 soll es in China über eine halbe Milliarde Nutzer geben. In diesem Jahr werden 170 Millionen 5G-taugliche Endgeräte verkauft.

Exkurs: Warum investiert die chinesische Regierung 150 Milliarden in künstliche Intelligenz?
60 Millionen Menschen verfolgten 2016 die Go-Partie zwischen dem Weltmeister Lee Sedol und AlphaGo. Die KI entschied die Partie 5:0 für sich. Nach diesem Sieg startet die chinesische Regierung das Programm „Internet Plus“ und 15 KI-Projekte innerhalb des 13. Fünfjahresplans. Warum? Weil Go ein intuitives Spiel mit unzähligen Spielvarianten ist, im Gegensatz zum auf Logik basierendem Schach. Daher hätte diesen Erfolg niemand in China für möglich gehalten. Intuition basiert auf Erfahrung, und diese wurde durch Deep Learning der KI mittels Analyse von mehr als 100.000 Spielen sowie 13 Millionen Partien gegen ältere ALphaGo-Versionen eingehaucht. Deep Learning imitiert beim Lernverhalten die Funktionsweise des menschlichen Gehirns. Das Thema wird aber nicht nur von der Regierung, sondern auch von der Privatwirtschaft forciert. Baidu gründete bereits 2013 das Institut für Deep Learning. Bis 2016 wurden ca. 90.000 Start-Ups im Technologie-Bereich gegründet. In 2016 hat China erstmals mehr Förderung für Start-Ups ausgegeben als Europa: 24 USD pro Kopf (EU: 22 USD pro Kopf).